Barbara stirbt nicht by Alina Bronsky


Barbara stirbt nicht
Title : Barbara stirbt nicht
Author :
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ISBN : -
ISBN-10 : 9783462000726
Language : German
Format Type : Hardcover
Number of Pages : 256
Publication : First published September 9, 2021

Herr Schmidt taut auf.

Walter Schmidt ist ein Mann alter Schule: Er hat die Rente erreicht, ohne zu wissen, wie man sich eine Tütensuppe macht und ohne jemals einen Staubsauger bedient zu haben. Schließlich war da immer seine Ehefrau Barbara. Doch die steht eines Morgens nicht mehr auf. Und von da an wird alles anders.

Mit bitterbösem Witz und großer Warmherzigkeit zugleich erzählt Alina Bronsky, wie sich der unnahbare Walter Schmidt am Ende seines Lebens plötzlich neu erfinden muss: als Pflegekraft, als Hausmann und fürsorglicher Partner, der er nie gewesen ist in all den gemeinsamen Jahren mit Barbara. Und natürlich geht nicht nur in der Küche alles schief. Doch dann entdeckt Walter den Fernsehkoch Medinski und dessen Facebook-Seite, auf der er schon bald nicht nur Schritt-für-Schritt-Anleitungen findet, sondern auch unverhofften Beistand. Nach und nach beginnt Walters raue Fassade zu bröckeln – und mit ihr die alten Gewissheiten über sein Leben und seine Familie.


Barbara stirbt nicht Reviews


  • Nadine Schrott

    Was für ein vielschichtiger Roman...!

    Barbara stirbt nicht....Punkt.... sie kann nicht sterben, denn ihr Ehemann, Herr Schmidt, käme einfach ohne sie nicht zurecht....glaubt er jedenfalls....Anfangs...

    Ich kenne genau solche Ehepaare noch....streng reglementiert....streng sauber....streng sich selbst und den anderen gegenüber... und doch verbunden in unausgespochener Zuneigung.
    In diesen Ehen wird gekittet und repariert, totgeschwiegen und doch auf vielen Ebenen kommuniziert....

    Zum Ende dieser Geschichte fehlte mir noch etwas Tiefe...und ein eindeutigeres Ende hätte mir schon gefallen...aber in der Zwischenzeit habe ich mich wirklich köstlich amüsiert!

    Wirklich lesenswert!

  • Alexandra

    Heuer habe ich mir zufällig sehr viele Bücher mit traditionellen Männerfiguren ausgesucht, und ich muss sagen, dieser Roman hat mir gut gefallen, vor allem weil der Protagonist sich im Laufe der Geschichte als vielschichtiger erweist, als ich erwartet habe.

    Barbara und Walter Schmidt führen eine sehr eingefahrene Ehe mit extrem traditionellen Rollenmustern, in denen der Herr des Hauses so gut wie noch nie in der Küche stehengeblieben ist und nicht einmal weiß, wie man eine Tütensuppe aufschneidet, geschweige denn wie man sich einen Kaffee kocht. Auch nach Herrn Schmidts Berufstätigkeit während der Pension hat sich an diesen Routinen nichts geändert. Für Barbara gibt es keinen Ruhestand und keine Ferien sie muss Walter von hinten bis vorne täglich bedienen und ihre Arbeit beurteilen lassen. So stellt sich das Ausgangssetting dieses Romans dar.

    Die gute Seele Barbara steht eines Tages einfach nicht mehr aus dem Bett auf, sie ist irgendwie krank und müde, sogar gestürzt und will tagelang gar nichts mehr essen. Ehemann Walter Schmidt ist mehr konsterniert und genervt ob des ausbleibenden Services des Hauspersonals, als dass er besorgt wäre. Er muss sich nun den ersten Kaffee seines Lebens kochen, den Hund und seine Frau versorgen. Das macht er sehr unwillig. Der Arzt kommt von selbst auf Betreiben der Kinder und stellt eine vernichtende Diagnose, die Walter aber weder hören will, noch dass er überhaupt danach fragt. Das Schreckensgespenst Krebs droht unterschwellig aus jedem Satz des Romans, wird aber mit keinem einzigen Wort je beim Namen genannt.

    Irgendwann dämmert es Walter, dass die Situation ernster ist, als er geglaubt hat und seine Frau nicht wieder ihre Aufgaben übernehmen kann. Er fügt sich in sein Schicksal, gibt seinen genervten Groll gegen die nicht funktionierende Ehefrau auf und krempelt sein Leben um. Es ist rührend, wie er im hohen Alter plötzlich auf sich allein gestellt lernt, seine todkranke Frau Barbara zu versorgen. Die in der Geschichte dargestellten Situationen der Überforderung des Protagonisten sind mit sehr viel Witz erzählt. Mit Barbaras Facebook Account begibt er sich erstmals ins Internet, lernt durch die Tipps und Anleitungen von der Facebookseite eines Fernsehkochs seine ersten Schritte zu einem selbstgekochten Essen und stellt viele Fragen.

    Herzzerreißend ist auch, wie Walter noch immer verdrängt, dass Barbara sterben wird. Von seinen beiden erwachsenen Kindern will er sich nicht helfen lassen und er möchte seine Frau auch nicht einer Pflegeeinrichtung überantworten. Das ist sehr sympathisch, dass er sich für Barbara verantwortlich fühlt und versucht, sie optimal vor allem mit Essen zu versorgen. Irgendwann bekommt er durch die Hilfe einer ehemaligen Bäckereiverkäuferin, die ihm bei der Zubereitung seines ersten Kaffees Tipps gegeben hat und die gekündigt wurde, sogar den Haushalt unter Kontrolle. Indem er Luna als Haushaltshilfe anstellt, hilft er ihr, das Leben in den Griff zu bekommen, beziehungsweise beide helfen einander. Zudem ist er mittlerweile als Mann von Barbara, da er noch immer ihren Facebook-Account benutzt, mit seinen Kochanfängerfragen und Diskussionen ein kleiner Internetstar geworden, der sich zu einem veritablen und im Netz anerkannten Kochkünstler entwickelt hat. Auch die Beziehung zu seiner Frau ist plötzlich von Wertschätzung und liebevollem respektvollem Umgang geprägt. Vor allem die Leistung seiner Frau in der Vergangenheit wird nun von Walter völlig neu bewertet, wie auch andere verkrustete Ansichten auf dem Prüfstand stehen und revidiert werden.

    Hier würde jetzt eine rührende, warmherzige, ein bisschen witzige Komödie ihrem doch sehr angenehmen, erträglichen Ende zusteuern. Als urkomisches Portrait einer Ehe, wie auf der Buchrückseite angekündigt, würde ich den Roman letztendlich überhaupt nicht bezeichnen. Die Autorin Alina Bronski hat der Leserschaft nämlich auf den letzten Seiten noch einen Plottwist beschert, der die ein bisschen eindimensionale Figur Walter Schmidts tiefer beleuchtet und die Geschichte am Ende noch sehr interessant macht. Ich habe mich die ganze Zeit gewundert, warum die Beziehung Walters zu seinen Kindern gar so zerrüttet ist. Einige Andeutungen gab es bereits von der wahrscheinlich lesbischen Tochter (in der Familie wird ja wirklich alles unter den Teppich gekehrt, weshalb das nicht ganz eindeutig hervorgeht). Am Ende kommt aber raus, dass Walter früher nicht nur ein etwas nerviger intoleranter Ehemann traditionellen Stils mit ein paar fremdenfeindlichen Ansichten war, sondern dass er als despotischer Herrscher über seine Familie richtig viel verbockt und enorme Schuld auf sich geladen hat, was er kurz vor dem Lebensende Barbaras noch in Ordnung zu bringen versucht. Was das Geheimnis der Familie ist, werde ich nicht verraten, lasst Euch überraschen. Diese Wendung hat mir fast am besten am Roman gefallen, weil sie verhindert, dass die Geschichte zu einem Rührstück verkommt.

    Fazit: Ein sehr guter Roman der von der sensationellen Figurenentwicklung des Protagonisten lebt. Leseempfehlung!

  • Jin

    Mein Vater und Herr Schmidt kann man vielleicht nicht direkt so vergleichen, aber doch haben sich Herr Schmidt und seine Frau, Babara, mit meinen Eltern überlappt. Herr Schmidt, ein alter Herr, der als den urdeutschen Nörgler par excellence abgebildet wird, ist definitiv kein Sympathieträger und von alter Schule. Die Rolle von Mann und Frau ist klar getrennt, so kenne ich es auch von meinem Elternhaus. Vielleicht ist das auch der Grund gewesen, dass mich die Geschichte unerwartet getroffen und mich tief berührt hat?

    Und dann wird Babara auf einmal krank und die Welt steht auf dem Kopf.

    Die ersten Seiten ließen mich schmunzeln, wie Herr Schmidt sich durch die alltäglichen Hausarbeiten kämpft; es war auch ein bisschen Schadenfreude dabei, als Barbara dann plötzlich krank wird und Herr Schmidt leiden musste. Die Handlung selbst ist relativ geradlinig, aber die Autorin streut so viele Pointen zwischen den Zeilen, sei es in einem Nebensatz oder in den Gedanken von Herr Schmidt, dass die Geschichte tiefgründiger war als anfangs vermutet. Ganz beiläufig wird die Geschichte von Zugezogenen erzählt, das Alltagsleben von alten Menschen und ihrer Umgebung, und die Beziehung von einem Patriarchat zum Rest seiner Familie. Die unterschwelligen Details, die zusätzlich eingestreut sind, bereichern die Geschichte und geben dem Ganzen mehr Farbe und Glanz. Am besten fand ich aber Herr Schmidt selbst, der nicht mehr politisch korrekt und zeitgemäß handelt und komplett überfordert ist.

    Hand auf's Herz: Kann man das Buch als Teil der Weltliteratur sehen? Nein, wahrscheinlich eher nicht. Aber die Geschichte unterhält einen sehr, packt das Herz des Lesers und es floss auch mal eine Träne während der Lektüre. Wie oben erwählt, kann man trotz des leichten, scharfzüngigen Tons die Tiefe der Geschichte erkennen und auch mit wieviel Liebe der Charakter von Herrn Schmidt entworfen wurde. Die kleine Überraschung am Ende hätte zwar nicht sein müssen, aber trotzdem hat mir auch das Ende so gefallen. Insgesamt ein rundes Buch, was mich unterhalten und berührt hat, daher 5 Sterne.

    ** Dieses Buch wurde mir über NetGalley als E-Book zur Verfügung gestellt **

  • Ellinor

    Herr Schmidt ist ein sehr traditionsbewusster Mensch: bei ihm hat alles seine klare Ordnung, die Dinge haben so zu sein, wie es diese Ordnung sagt und nicht anders. Das bedeutet bei ihm auch, dass seine Frau Barbara für den gesamten Haushalt zuständig ist. Nur liegt Barbara eines Tages plötzlich krank im Bett und steht nicht mehr auf. Herr Schmidt weigert sich, den tatsächlichen Ernst der Lage zu erkennen und lehnt daher auch alle Hilfe ab.
    Da Barbara sehr schwach ist, ist Herrn Schmidts größtes Anliegen, dass sie etwas isst. Er macht sich daher daran, dass Kochen zu lernen und ist tatsächlich bald besser daran als Barbara. Nach und nach findet er sich in die neue Situation und kommt langsam zu neuen Erkenntnissen.
    Barbara stirbt nicht ist ein äußerst amüsantes Buch, dass ich in einem Rutsch durchgelesen haben. Dabei gelingt es Alina Bronsky, mit Herrn Schmidt eine Figur zu schaffen, die eigentlich recht unsympathisch ist (fest gefahrene Meinungen, Rassismus, Intoleranz, ständiges Genörgel etc.), die mir aber doch am Schluss sehr ans Herz gewachsen ist. In seiner Hilflosigkeit (er kann am Anfang wirklich gar nichts im Haushalt) und seiner Realitätsverweigerung, die aber gleichzeitig das unbedingte Aufrechterhalten des Scheins nach außen mit sich zieht, tat er mir fast leid. Es gibt immer noch viele dieser Ehepaare, die genau nach diesem traditionellen Rollenmuster funktionieren und bei denen durch den Tod der Ehefrau alles aus dem Ruder kommt.
    Der Schluss des Buchs kam mir zwar ein wenig zu abrupt, dennoch war es ein schönes Leseerlebnis, das ich gerne weiterempfehle.

  • yexxo

    Normalerweise sind die Hauptfiguren in Filmen und Büchern Sympathieträger – nicht so in dem neuen Buch von Alina Bronsky. Herr Schmidt, wie er konsequenterweise die gesamten 251 Seiten genannt wird, mag die Menschen nicht. Und sie ihn genauso wenig – bis vielleicht auf Lydia. Und Hanne. Und vielleicht Heike. Aber egal, Herr Schmidt ist am liebsten für sich, zusammen mit seiner Frau Barbara, die seine geliebte Ordnung für ihn aufrecht hält. Doch eines Morgens wacht er auf – und da ist nichts und niemand. Kein Kaffeeduft und keine Barbara, es

    "... schien ihm plötzlich am wahrscheinlichsten, dass Barbara auf dem Weg in die Küche tot umgefallen war."

    Umgefallen ist sie, doch sie lebt und liegt im Bad. Mühsam bringt er sie ins Bett, wo sie die nächsten Tage und Wochen verbringen wird. Und für Herrn Schmidt brechen neue Zeiten an. Er ist davon überzeugt, dass er sie wieder auf die Beine bringen wird (im Gegensatz zu seinem Umfeld) und übernimmt nun die Verantwortung für Küche und Haushalt. Und dass, wo er nicht einmal weiß, wie man Kaffee oder Kartoffeln kocht.

    „Ach, Walter. In Wasser, im Topf.“ Er mochte es nicht, wie sie ihm Sachen erklärte. „Wo sind die Kartoffeln denn?“ „In der Speisekammer. Im Korb. Schälen brauchst du nicht.“ „Wie heiß soll das Wasser sein? Wie viel Grad?“ „Ach, Walter.“ „Wie lange drin lassen?“ „Bis es fertig ist.“ Er begann selbst innerlich zu kochen. „Wann weiß ich, dass sie fertig ist?“ „Piks sie mit der Gabel an.“

    Doch wider Erwarten findet er sich allmählich zurecht und zu seiner eigenen Überraschung scheint es ihm sogar Freude zu bereiten.

    Sicherlich kann man das Buch als leichte und immer wieder humorvolle (wenn auch nicht urkomische) Lektüre einer Wandlung vom miesepetrigen Egozentriker hin zum offeneren mitfühlenden alten Herrn lesen, aber das würde dieser Geschichte nicht gerecht werden. Denn fast schon nebenbei lässt Alina Bronsky immer wieder einfließen, dass es für diese mürrische und grollende Art des Herrn Schmidt durchaus einen guten Grund gibt. Die Zeit, die er als Russlanddeutscher, geboren während des 2. Weltkrieges in der Sowjetunion verbrachte, war wahrscheinlich sehr schwierig. Dort als potentielle Spione und Verräter gebrandmarkt, wurde diese Volksgruppe schikaniert, ausgebeutet und lebte in den erbärmlichsten Verhältnissen. Kein Wunder, dass sich Herr Schmidt einen Panzer zulegte, um nie mehr Schwäche zu zeigen.

    „Du kannst mir gar nicht wehtun“, sagte er langsam und deutlich. „Niemand von euch kann mir wehtun.“

    „Wir waren doch gerade erst weg von den Russen, und seien wir ehrlich, Barbara war damals eine von denen.“

    Es ist ein Buch, dass nur vordergründig humorvoll erscheint, tatsächlich aber voller Tragik über ein recht verkorkstes Leben ist sowie ein Plädoyer, Menschen nicht nur nach dem ersten Augenschein zu beurteilen (und Anderes natürlich auch nicht ;-)).

  • Ashleys Bücherkabinett

    Seit dem ersten Buch von #alinabronsky bin ich Fan dieser Autorin und #barbarastirbt nicht ist nun schon das dritte Werk, was ich lesen durfte.
    Auch hier punktet die Autorin mit ihrem Schreibstil, der doch sehr "alltägliche" Geschichten einnehmend gestaltet und mit einer guten Brise trockenem Humor zu was besonderem macht.
    Ausserdem hat sie es wiedermal geschafft mir eine doch anfangs recht unsympathische Person im Laufe der Story ans Herz wachsen zu lassen.
    Denn unser Protagonist Walter ist hier alles andere als liebenswürdig 😅 Er ist der typische mürrische "Opa" der alten Schule und dementsprechend mit viel Bitterkeit, Trotz und politisch unkorrekten Denkweisen gesegnet. Und trotzdem merkt man einfach den Wandel, den seine Person durch die gegebenen Umstände vollzieht und er wächst einem immer mehr ans Herz.
    Der unbändige Wille die Umstände um seine Frau Barbara nicht akzeptieren zu wollen hat mich einerseits fasziniert, aber auch oftmals sehr traurig gemacht.
    Auch diesmal hat es Alina Bronsky geschafft mein Herz zu berühren und zum Schluss auch ein paar Tränchen in den Augen zu haben. Eine wundervolle und zugleich traurige Geschichte, die dem Leser aber auch Hoffnung gibt. Hoffnung in der Hinsicht, dass auch ein eingefahrener Mensch in der Not aus sich herauswachsen kann ❤️

  • Milkysilvermoon

    Walter Schmidt hat sich in seinem Alltag gemütlich eingerichtet. Der Rentner lebt mit seiner russischstämmigen Frau Barbara ein einfaches, aber komfortables Leben im eigenen Häuschen. Die Ehe hält schon mehr als 50 Jahre, die Kinder sind längst erwachsen. Eines Morgens kippt seine Gattin im Bad um und will nicht mehr das Bett verlassen. Für Herrn Schmidt, der noch nicht einmal selbst eine Tasse Kaffee kochen kann, beginnt plötzlich eine schwierige Zeit…

    „Barbara stirbt nicht“ ist ein Roman von Alina Bronsky.

    Meine Meinung:
    Der Aufbau ist schlicht: Der Roman ist in unzählige Abschnitte unterteilt. Erzählt wird in chronologischer Reihenfolge aus der Perspektive von Walter, allerdings mit mehreren Zeitsprüngen.

    Der Schreibstil ist auf den ersten Blick unspektakulär. Jedoch ist es der Autorin wunderbar gelungen, viel Atmosphäre zu transportieren und zwischen den Zeilen zu erzählen. Der Roman ist gekennzeichnet durch zahlreiche Dialoge.

    Mit Herrn Schmidt steht ein älterer Protagonist im Vordergrund. Seine beleidigende, nörglerische, oft unverschämte Art qualifiziert ihn nicht zum Sympathieträger. Dennoch kommt man ihm recht nahe, sodass ich Mitgefühl mit ihm empfinden konnte. Walter ist extrem alltagsuntauglich, vor allem was den Haushalt angeht. Mit solchem „Frauenkram“ wollte er sich nie auskennen. Auch seine ablehnende Haltung in Bezug auf Andersartigkeit verschafft ihm keine Pluspunkte bei mir. Seine Schwächen werden Stück für Stück entlarvt. Tatsächlich gibt es aber solche Exemplare Mann im wahren Leben, weshalb ich die Charakterzeichnung nicht übertrieben finde. Die übrigen Figuren inklusive Barbara bleiben dagegen eher blass.

    Inhaltlich bringt der Roman ernste Themen wie Krankheit und Tod mit Humor in Verbindung. Nicht nur einmal blieb mir beim Lesen jedoch das Lachen im Hals stecken. Die Geschichte hat es geschafft, auf rund 250 Seiten unterschiedliche Emotionen bei mir zu wecken - obwohl und manchmal auch gerade weil sich der Protagonist seinen Gefühlen nur sehr schwer stellen kann.

    Die Handlung an sich ist im Grunde ziemlich übersichtlich. Dennoch hat mich der Roman keineswegs gelangweilt. Die Frage nach dem Zustand Barbaras baut eine gewisse Spannung auf. Zum Ende hin gibt es zudem eine überraschende Enthüllung. Nur in ein oder zwei Aspekten ist mir die Geschichte zu sehr drüber, was dem positiven Gesamteindruck aber keinen Abbruch tut.

    Das knallige Cover passt zum Inhalt des Romans. Beim Titel bin ich ein wenig zwiegespalten, was ich an dieser Stelle aber lieber nicht ausführen möchte.

    Mein Fazit:
    „Barbara stirbt nicht“ von Alina Bronsky ist ein unterhaltsamer und anrührender Roman, der Tragik und Komik vereint. Eine empfehlenswerte Lektüre mit Charme.

  • SusanneH

    Ließ sich flott lesen. Locker und leicht erzählt, amüsant und doch ernst. Das Ende kam mir zu aprupt.

  • Torsten

    Ein tolles (Hör)buch!

    Herr Schmidt ist ein nicht gerade sympathischer älterer Herr, dessen Weltbild sehr von patriarchalen Ansichten und Vorurteilen gegenüber eigentlich Allem geprägt ist. Wenn jemand etwas richtig macht, dann er! Als er zu Beginn des Romans seine Frau Barbara, mittlerweile sind sie über 50 Jahre verheiratet, im Bad findet - gestürzt und leicht verletzt - ändert sich sein ganzes weiteres Leben. Barbara kann seitdem die ihr zugeteilten Aufgaben - damit handelt es sich um so gut wie alles, was in einem Haushalt anfällt, nicht mehr erfüllen. Herr Schmidt ist auf sich allein gestellt, eine Zäsur für ihn, der nicht ein mal einen Kaffee gekocht bekommt ohne Hilfe. Zudem muss er sich nun auch noch um seine Frau kümmern, was für ein Drama!

    Ob Herr Schmidt das schafft, ob und wie er vielleicht doch an seinen grundsätzlichen Überzeugungen zweifelt, was eine gute Ehe, eine Familie, ja ein glückliches Leben ausmacht - das alles ist sehr amüsant und ohne Zeigefinger geschrieben. An ein und der anderen Ecke im Leben des Herrn Schmidt tut sich auch etwas Schatten auf ... Dadurch und weil die Geschichte insgesamt eine gute Balance zwischen Tiefgang und Vergnüglichkeit hält, hat mir das Buch sehr gut gefallen.

    An die tiefe und sonore Stimme des Sprechers musste ich mich erst gewöhnen, aber mit der Zeit passte es sehr gut, da die Geschichte ja auch aus Herrn Schmidts Blick erzählt wird. Kann ich gut und gerne weiterempfehlen 🙂

  • Karschtl

    Wie schon so oft, habe ich den Klappentext nicht komplett gelesen. Die ersten 4 Zeilen zusammen mit dem Autorinnenamen haben für meine Leseentscheidung schon gereicht. Doch gingen meine Erwartungen an die Geschichte deshalb auch ein bisschen in eine andere Richtung: ich nahm an, dass der Protagonist einfach ignoriert, dass sein Frau im Bett liegt und längst tot ist.

    Ganz so ist es nicht, aber dennoch muss sich Herr Schmidt (wieso wird er von Alina Bronsky eigentlich durchgehend nur so bezeichnet, während seine Frau bei ihr und allen anderen Barbara ist?) vielen alltäglichen Dingen widmen, um die er sich sein Lebtag lang nie zu kümmern brauchte. Meine Gefühle ihm gegenüber waren ziemlich wechselhaft. Einerseits zeigen seine Bemühungen, seiner Frau etwas zu kochen was sie dann auch isst, seine liebevolle und fürsorgliche Ader. Die scheint auch im Umgang mit 'Heike' durch. Dann aber ist er auch ein totaler Sturkopf (es ist schade, welches Verhältnis er zu Sebastian und auch Karin hat) und manchmal sogar regelrecht griesgrämig (im Supermarkt zum Beispiel).

    Doch trotz meiner recht unbeständigen Gemütslage Walter Schmidt gegenüber, war ich durchgehend begeistert von der ganzen Geschichte - und wie Alina Bronsky sie erzählt hat. Ich konnte die Personen regelrecht sehen, und so manche Probleme, die Walter zu lösen hatte, haben meinen Vater auch herausgefordert als meine Mutter starb. So hatte ich wohl auch immer ein kleines bisschen ihn vor Augen.

    Für meine Begriffe war das Ende ein bisschen zu offen, da hätte ich mir mindestens noch ein weiteres Kapitel gewünscht. Aber die Autorin lässt die LeserInnen wahrscheinlich lieber selbst überlegen, was noch so geschehen könnte. Oder sie lässt Spielraum für eine Fortsetzung?

  • Elena

    Walter und Barbara Schmidt sind ein älteres Ehepaar, so wie es vielleicht unsere Großeltern sind oder waren. Eine Generation mit einer Rollenverteilung, die wir heute nicht mehr häufig finden. Herr Schmidt kennt seine Barbara schon lange, gemeinsam sind sie alt geworden und haben Kinder aufgezogen. Herr Schmidt war dabei stets derjenige, der zur Arbeit ging und das Geld nach Hause brachte. Der Ernährer eben. Barbara kümmerte sich um den Haushalt, den Einkauf, die Kinder und wenn Herr Schmidt abends von der Arbeit kam, dann stand das Essen schon auf dem Tisch.

    Doch plötzlich ändert sich alles, Herr Schmidt wird aus seiner Routine gerissen und steht vor neuen Herausforderungen: Denn Barbara fällt ohne jede Vorwarnung aus. Und nun muss Herr Schmidt sich seinen Kaffee selbst kochen, für Essen sorgen und all das Schultern, das bisher ohne eine Bemerkung von seiner Ehefrau erledigt wurde.

    „Barbara stirbt nicht“ von Alina Bronsky ist ein Buch, das mich an den ein oder anderen älteren Herren aus meinem Bekanntenkreis erinnert. Das macht dieses Thema greifbar und so realitätsnah. Es ist eine Geschichte über einen Mann, der an seinen Herausforderungen wächst, sich beginnt zur reflektieren, sich entwickelt und Neuem öffnet. Diese Charakterentwicklung, die das gesamte Buch trägt, war großartig umgesetzt. Ich hatte Mitleid mit den Figuren, grinste manchmal über Herrn Schmidts verbohrte, brummige Art und wunderte mich über sein Talent einfach die Augen vor der Realität zu verschließen. Er will nicht sympathisch sein, er war auch bisher kein auffällig liebenswürdiger Ehemann und Vater, aber seine Geschichte fasziniert und fesselt. Einzig das Ende kam sehr abrupt und lässt für mich wichtige Fragen offen.

    Insgesamt ist Alina Bronskys „Barbara stirbt nicht“ ein Buch, das sich schnell liest und sich perfekt anbietet für ein verregnetes Wochenende auf dem Sofa. Kurzweilig, gekonnt erzählt, manchmal humorvoll, aber immer dicht am Leben.

  • Cherryandginger

    Was soll ich sagen. Zum einen ein sehr tolles Buch, da ein grosses Problem der heutigen Gesellschaft thematisiert wird. Was eine Krankheit oder ein Schicksalsschlag mit einer Familie macht, bzw. Was die Pflege und Betreuung des Betroffenen bedeutet.

    Einzig die doch teilweise sehr ungehobelte Art von Herr Schmidt hat meinen Lesespass gebremst.

  • Inge

    Eigentlich ist es eine schlimme Geschichte. Alina Bronsky erzählt sie mit Humor.
    Es geht um Geschlechterrollen, vor allem um den überforderten Mann.
    Hier bekommen Männer und Frauen ihr Fett weg, die Männer ein bisschen mehr.
    Walter, der Ehemann von Barbara, macht einen unverzeihlichen Fehler nach dem anderen. Aber: auch ein alter Brummbär verdient eine Chance.

  • miss.mesmerized mesmerized

    Barbara geht es nicht gut, das gab es doch noch nie. In 52 Ehejahren war sie ihrem Mann Walter Schmidt immer zu Diensten, hat morgens den Kaffee aufgebrüht und sich um Haus, Hund und die beiden Kinder gekümmert. Jetzt stimmt etwas nicht und Herr Schmidts Welt gerät aus den Fugen. Weder weiß er, wie er zu seinem Kaffee kommt, noch kann er irgendetwas aus der gut gefüllten Tiefkühltruhe auftauen und zubereiten. Langsam tastete er sich heran, an den Frauenjob, den er jetzt wohl übernehmen muss. Aber das ist ja nur vorübergehend, denn Barbara ist bestimmt bald wieder auf den Beinen. Warum alle um ihn herum deswegen so komisch reagieren, kann er nicht nachvollziehen. Sie muss nur wieder ein wenig Essen und dann ist alles wieder gut. Glaubt er.

    Auch in Alina Bronskys vorherigen Romanen „Der Zopf meiner Großmutter“ und „Baba Dunjas letzte Liebe“ standen die Erfahrungen älterer Menschen im Zentrum der Handlung. Mit Walter Schmidt hat sie dieses Mal einen mustergültigen urdeutschen Senior geschaffen, der nach Jahrzehnten in geordneten Verhältnissen unerwartet damit konfrontiert wird, dass seine Frau die Erwartungen nicht mehr erfüllen kann. Mühsam muss er sich seine Normalität erkämpfen und plötzlich öffnet dies ihm die Augen vor der Leistung von Barbara, für die er nie viel übrig hatte. Erst einmal in Gang gesetzt, kommen noch mehr Reflexionen, die ihn so manches anders sehen lassen.

    Der Protagonist ist zunächst kein wirklicher Sympathieträger, aber man hat doch auch ein wenig Mitleid ob seiner Hilflosigkeit und Überforderung. Liebevoll neckisch werden seine Unzulänglichkeiten offengelegt und man beobachtet amüsiert seine Koch- und Haushaltsorganisationsversuche. Er ist ein Mann seiner Zeit und kann sich von alten Rollenmustern kaum lösen. Aber er erkennt, dass so manches Urteil vielleicht voreilig und nicht gerecht war und gerade noch, bevor es zu spät ist, wird ihm auch klar, was er für tolle Jahrzehnte mit Barbara verleben durfte.

    Kein einfacher Erkenntnisgewinn, der jedoch immer wieder auch zum Schmunzeln einlädt und für Verständnis für jene wirbt, die nicht wirklich auch ihrer Haut können. Das Ende war mir ein wenig zu rabiat und offen, bis dahin jedoch gewohnt souverän von Alina Bronsky erzählt.

  • Kathrin

    "Barbara stirbt nicht“ von Alina Bronsky war nicht mein erstes Werk der Autorin und dementsprechend hoch waren meine Erwartungen, da mir „Baba Dunjas letzte Liebe“ unglaublich gut gefallen hat.
    Ich war sehr froh darüber, diesen Roman in einem Lesekreis gelesen zu haben, da es sehr viel zu diskutieren gab.
    Herr Schmidt muss sich, nachdem seine Frau Barbara gefallen und nun tagelang im Bett vor sich hinvegetiert, um sich, seine Frau und den Hund kümmern. Er, der nicht mal weiß, wie man Kaffee kocht. Unterhaltsam und humorvoll begleiten wir Herrn Schmidt dabei, wie er sich immer mehr Kochkünste aneignet und versucht die neuen Lebensumstände zu akzeptieren und zu meistern.
    Während dem Lesen haben wir im Lesekreis unterschiedliche Gefühle durchlebt, wir haben geschmunzelt, waren wütend und teilweise auch traurig.
    Ein gelungener Roman, der sich mit seinen knapp 250 Seiten gut weglesen lässt.

  • Birgit

    Der Titel macht aufmerksam, die Inhaltsangabe klingt sehr interessant und auch am Anfang scheint der Roman potenzial zu haben.
    Der Stil ist zwar von Beginn an etwas flach, darüber kann man jedoch bei der geringen Seitenanzahl gut darüber hinwegsehen. Anfangs sorgt die Unwissenheit und Hilflosigkeit von Herrn Schmidt auch noch für lustige Spitzen in der Handlung, auch wenn es etwas entfremdet, dass jeder Charakter mit Vornamen angesprochen wird, nur eben unser Protagonist Herr Schmidt nicht. Dadurch fällt es den Leser:innen schon mal schwerer, sich im emotional zu nähern - später ist man froh darüber, wenn man mehr über seine Einstellung zum Leben, zu Frauen, zu Erziehung und was noch nicht alles erfährt. Spätestens bei dem Satz: "Sie lachte, und er erinnerte sich daran, wie es war eine Frau schlagen zu wollen.", habe ich mich gefragt, wieso ich dieses Buch überhaupt noch lese - aber da waren es nur noch rund fünfzig Seiten, die leider auch nicht besser wurden.
    Am Ende verließ mich die Konzentration und die Nebenhandlung, die auf den letzten Seiten noch eingeflochten wurde, schien nicht ganz schlüssig und noch dazu gezwungen, um einfach noch ein paar Seiten mehr zu füllen.
    Leider hat das Buch sehr enttäuscht - es hatte das Potenzial, zu einem angenehmen, aber zum nachdenken anregenden Buch für zwischendurch zu werden, wurde aber zu einem Albtraum, für den ich mich selber hasste, dass ich es noch weiter lese.

  • Aus Liebe zum Lesen

    Als Barbara stürzt und sich infolgedessen nicht mehr um den Haushalt kümmern kann, steht Walter Schmidt vor der Aufgabe seines Lebens. Die erste große Herausforderung stellt das Kaffeekochen dar. Mithilfe einer jungen Bäckereiverkäuferin schafft er diese Hürde und begibt sich auch auf weiteres neues Metier, wie das Internet und Kochen.

    Alina Bronsky hat in „Barbara stirbt nicht” den Prototypen eines Mannes gezeichnet, der die Brötchen nach Hause bringt und sich ansonsten ziemlich rarmacht. Während man Walter zu Beginn ständig an den Schultern packen und schütteln möchte, ist die Entwicklung, die er macht, schön anzuschauen.

    Mit viel schwarzem Humor, aber auch mit Einfühlungsvermögen erzählt die Autorin ihre Geschichte. Die Figuren sind absolut authentisch gezeichnet und man muss sogar Herrn Schmidt ins Herz schließen. Die ein oder andere Wendung verläuft mir ein bisschen sehr glücklich und der Schluss konnte mich leider nicht ganz überzeugen.

    Dennoch ist Alina Bronskys Roman sehr unterhaltsam und hat es wirklich geschafft mich oft zum Lachen oder Schmunzeln zu bringen.

  • Heidi

    Hörbuch, gelesen von Thomas Anzenhofer

    Herr Schmidt ist seit 52 Jahren mit Barbara verheiratet und Mann der alten Schule, in der Frauen sich um Haushalt und Küche kümmern, und Männer sich ums Geldverdienen. Mit den Ausländern will man nichts zu schaffen haben und Kinder mit neumodischen Namen sind einem suspekt. Ebenso, dass die Tochter mit einer Frau liiert ist. Sehr merkwürdig, das alles.
    Dann wird Barbara von einen Tag auf den anderen bettlägerig krank und Herr Schmidt wird mit einer Welt konfrontiert, von der er nichts weiß: wie bedient man eine Kaffeemaschine? Wie kocht man ein Essen? Wie funktioniert die Waschmaschine? Herr Schmidt ist überfordert. Von Dingen, von denen er nichts weiß, nie etwas wissen wollte, weil seine Frau sie machte. Und mit Barbara's Zustand, den er nicht wahrhaben will. All das zwingt ihn aus seinem Panzer heraus. Wenn er nicht verhungern und sich um seine Frau kümmern will, muss er neue Wege gehen. Sich zum Beispiel mit diesem merkwürdigen Internet beschäftigen. Oder mit Bäckereiverkäuferinnen reden, die komische Frisuren und Haarfarben haben. Und er muss beginnen, über den eigenen engstirnigen Tellerrand hinauszusehen. All dies führt zu einigen bizarren Situationen, die von der Autorin witzig, aber nie albern geschildert werden. Herr Schmidt ist unsympatisch. Spießig. Humorlos. Rassistisch. Emphatielos. Abweisend. Der Prototyp eines furchtbaren Grantlers. Er macht es einem fast unmöglich, ihn zu mögen, diesen Miesepeter. Und doch... und doch sind da diese kleinen Momente. Diese winzigen Lichtblicke hier und da, die einen hoffen lassen, dass nicht alles verloren ist, mit Herrn Schmidt.
    Langsam, fast schon widerwillig, findet er Dinge über Barbara's Leben heraus, ihre Vorlieben, ihre Freunde, von denen er kaum wusste, sich nie gekümmert hat. Immer wieder zwischendurch eingestreut erfahren wir, wie das so war, mit Barbara und Walter Schmidt. Durch seine Gedanken erfahren wir in Andeutungen, dass nicht immer alles rosig war in dieser Ehe. Dass Barbara einiges ausgehalten hat mit ihrem Mann. Aber sie blieb an seiner Seite. Und egal, was für ein Mensch Walter Schmidt auch gewesen sein mochte, eines wird klar: er hat seine Barbara trotz allem geliebt. Er liebt sie immer noch abgöttisch. Auch wenn er eine merkwürdige Art hat, dies zu zeigen. Ob Herr Schmidt doch noch die Kurve kriegt und zu einem besseren Menschen wird, und ob Barbara stirbt oder nicht, sei an dieser Stelle nicht verraten. Das Ende des Romans kommt sehr schnell. Und auch wenn es irgendwie offen bleibt, blieben für mich keine Fragen mehr offen.

    Thomas Anzenhofer liest fantastisch und fängt den Charakter von Herrn Schmidt perfekt ein.

  • Wandaviolett

    Naive Läuterungsgeschichte/Kurzmeinung: Nett.

    Walther Schmidt hat sich sein Leben lang nur dann in der Küche blicken lassen, wenn er sich zum Essen setzte. Er hat ein altmodisches Weltbild über, na ja, die Welt halt und ein patriarchalisches Rollenverständnis. Er verdient das Geld, sie versorgt ihn. Seiner jungen Frau Barbara, die er seinerzeit aus dem Ostblock hat, setzte er eine sehr lange Weile lang exakte Vorgaben, man könnte sagen, er gängelte sie. Walther ist kein leicht zu nehmender Ehemann. Und ist er ein Partner?

    Andererseits zeigte sich schon damals, am Anfang seiner Ehe, sein liebenswertester Zug, nämlich seine Loyalität. Die Anfangsversuche Barbaras in der Küche werden nicht kommentiert, er isst widerspruchslos alles, was ihm vorgesetzt wird und er verteidigt seine Frau gegenüber seiner Mutter. Kann man mehr verlangen? Mit der Zeit läßt er auch die Leine locker, gewährt außerhäusige Freiheiten und im Haushalt hat Barbara sowieso das Sagen. Als Barbara eines Tages krank wird, und nicht mehr aufsteht, wendet sich das Blatt. Walther übernimmt den Haushalt.

    Der Kommentar:
    Der Roman „Barbara stirbt nicht“ erinnert mich an das Lied von Johanna von Koczian „Das bisschen Haushalt ist doch gar nicht schwer, sagt mein Mann, das bisschen Haushalt macht sich nenbenher, sagt mein Mann.“ Ein lustiges Liedchen, das in den 70er Jahren für Schmunzeln sorgte. Und hier liegt das Problem des Romans, der ohne Zweifel unterhält und die Entwicklung seiner Figur humorvoll begleitet: Der Roman wirkt antiquiert. Eine naive Läuterungsgeschichte wie aus den 70ern. Vielleicht brauchen wir wieder leichtere Kost in unserer komplizierten Welt? Allerdings sind die Walthers unserer Zeit ganz anders gestrickt. Sie sind gegen alles, marschieren mit Pegida und wählen AfD.

    Was an dem Roman schätzenswert ist, sind zwei Dinge, erstens die Entdeckung, dass aus Gewöhnung Liebe werden kann und zweitens, dass es Situationen gibt, denen mit Worten nicht beizukommen ist. Manchmal muss man das Schicksal kommentarlos hinnehmen. So wie Walther es tut.

    Fazit: Der Roman ist etwas aus der Zeit gefallen. Liebenswert. Auch lesenswert? Das muss man selbst entscheiden. Eins ist er jedenfalls nicht: zeitgemäß.

    Verlag: KiWi, 2021
    Kategorie: Humor

  • Fatma

    Bisher war für Herrn Schmidt eines klar: Die Küche und der Haushalt sind die alleinige Aufgabe seiner Frau Barbara, die kocht, putzt, gärtnert, einkauft und sonst alles tut, was im Haus anfällt. Für ihn ist all dies "Frauenkram" und deshalb etwas, wovon er sich fernhält. Bis sie eines Tages nicht mehr aufsteht und Herr Schmidt wohl oder übel selbst anpacken muss.
    Was bei der Lektüre des Klappentextes bzw. der Leseprobe wie ein lustiger und kurzweiliger Roman klingt, entpuppt sich beim Lesen zwar als humoristisch, aber mit einer deutlichen schwarzen Note.
    Herr Schmidt - dessen Vorname Walter im Gegensatz zu denen der anderen Figuren kaum verwendet wird - ist eine Figur, mit der ich Mitleid hatte, obwohl mir Männer, die so hilflos im Haushalt sind, eher unsympathisch sind, auch wenn ich älteren Exemplaren dieser Gattung etwas Verständnis aufbringen kann, denn früher war es halt anders. Aber je mehr über Herrn Schmidt und seine Vergangenheit mit Barbara enthüllt wurde, desto mehr wurde er zu einer Figur, die deutliche despotische Züge aufzeigte. Stellenweise wurde dies etwas klischeehaft, was aber dadurch aufgewogen wurde, dass die Autorin seine Handlungen und Ansichten glaubhaft erklären konnte, z.B. durch seine Herkunft oder seine Gefühle in seiner Jugendzeit.
    Vieles, z.B. Barbaras Krankheit oder der Grund für das angespannte Verhältnis zu den zwei Kindern des Ehepaars, wird nur angedeutet bzw. man muss zwischen den Zeilen lesen, was jedoch auch zu der Charakterisierung von Herrn Schmidt passt, da er selber vieles verdrängt und manchmal nur das sieht, was er sehen möchte. So erfährt man alles über sein Umfeld aus seiner Sicht und weiß deshalb nicht, inwiefern diese die Wahrheit abbildet.
    Der Roman hat mir sehr gut gefallen und ich würde gerne fünf Sterne geben, aber ich fand das extrem abrupte Ende sehr enttäuschend. Die Handlung bricht wirklich ohne Warnung ab, so als ob ein Kapitel fehlen würde. Das fand ich sehr schade, denn ich hätte - wenn auch nicht kein rundes Ende - irgendeine Art von Abschluss sehr schön gefunden.

  • Wal.li

    Oder stirbt sie doch

    Barbara und Walter Schmidt sind schon lange verheiratet. Eigentlich war Barbara nicht die erste Wahl, aber ein Kind war unterwegs. Der Alltag schien genau durchgeplant, Barbara versorgte den Haushalt und Walter machte, was er meinte. Doch eines Morgens stürzte Barbara im Bad und war danach nicht mehr in der Lage aufzustehen. Und nun erledigt Herr Schmidt alles und Barbara schläft und isst nicht. Die Kinder sind aus dem Haus und Herr Schmidt will auch nicht, dass sie zu häufig kommen. Dafür lernt er, sich mit dem Computer zu befassen. Schließlich muss er irgendwo erfahren, wie er Barbara etwas Leckeres zubereiten kann.

    Die Schmidts sind schon ein seltsames altes Ehepaar, wobei Barbara in sich zu ruhen scheint und Walter vor sich hingrantelt und schnappt, wenn sich mal jemand nach seinem Befinden erkundigt. Obwohl Barbara offensichtlich krank ist, will Walter davon nichts wissen. Barbara stirbt nicht, sie isst nur nicht, aber Walter wird schon dafür sorgen, dass alles wieder in die Reihe kommt. Dass seine ganze Umgebung das anders sieht, ficht Walter nicht an. Doch bei aller Brummigkeit, öffnet sich Walter doch ein wenig und wagt einen großen Schritt, der Barbara gefallen soll.

    Mit humorvollen Worten und teilweise beißendem Witz schildert die Autorin das Eheleben von Walter und Barbara, dass wohl auf seinen letzten Abschnitt zugeht. Walter, der immer wollte, dass sie in Deutschland nicht schon wegen ihres Akzents auffallen, hat seine Frau wohl erzogen. Seiner Meinung nach hat er sich in die Ehe gefügt und sein Bestes gegeben. Und er hat die zarte Barbara den ganzen Haushalt erledigen lassen. Über seine Gefühle spricht Walter nicht, da nutzen auch alle gut gemeinten Worte nichts. Gerade wenn sich alles in ihm zusammenzieht, wird er besonders bärbeißig, auch seinen Kindern gegenüber. Bei Beginn der Lektüre dieses witzigen Romans, der einem manchmal auch das Lächeln auf den Lippen gefrieren lässt, wird man direkt in die Handlung gezogen. Zwar fehlen einige Hintergrundinformationen, aber man ist gleich mitten drin im Leben von Walter und Barbara. Und so bewirkt die Handlung, dass man reagiert und reflektiert. Wie haben die eigenen Eltern gelebt? Wie hätte man selbst es gemacht? Mit leichten Worten geschrieben, widmet sich die Autorin durchaus ernsten Themen und ihre teils eigenwillige Herangehensweise macht den Roman sehr lesenswert.

  • Nicole

    Bronsky ist für mich inzwischen eine "Auto-Buy"-Autorin. Ich kaufte das Buch also, ohne den Klappentext zu lesen. Als es dann kurz darauf für einen Zoom-Lesekreis vorgeschlagen wurde, konnte ich es sogar zeitnah vom SuB befreien.
    Meine Meinung über den Protagonisten Schmidt änderte sich immer wieder während der Lektüre. Eigentlich finde ich den Typen unausstehlich. Aber er zeigte ja doch immer wieder ein gutes Herz, meistens jedoch empfand ich Mitleid mit ihm. Dass die Autorin es schaffte, meine Emotionen so durcheinander zu bringen, rauf und runter, hin und her, zeigt, wie differenziert sie diesen Charakter gezeichnet hat. Die Geschichte lässt sich sehr schnell lesen, ist berührend und doch unterhaltsam geschrieben. Das Ende war mir allerdings zu abrupt.

  • Vicky

    An der Autobahn ausgesetzt nach einer schönen Fahrt

    Der trockene Humor von Alina Bronsky ist genau mein Fall. Ich schätze ihre messerscharfe Beobachtungsgabe was Alltagsunzulänglichkeiten im Allgemeinen und menschliche Schwächen im Besonderen betrifft. Während sie im "Zopf meiner Großmutter" stark satirische Töne anschlug, ist "Barbara stirbt nicht" hingegen relativ zahm. Zwar ist der Protagonist Herr Schmidt ein liebenswerter Sancho Pansa, der tapfer gegen die Windmühlen seines unfreiwilligen späten "Hausmann-Daseins" kämpft, aber er wird zu keiner Zeit von der Autorin bloßgestellt.

    Es geht in dem Buch viel darum, welche Lieblingsrezepte von Barbara sich ihr Ehemann Walter aneignen muss, während seine Frau in einem mysteriösen Zustand zwischen Krankheit und Rekonvaleszenz verweilt. LeserInnen werden über die eigentliche Natur von Barbaras Zustand im Unklaren gelassen.

    Den ganzen Roman durchzieht eine eigentümliche Melancholie, eine Sehnsucht nach dem vergangenen Gestern. Bronsky zeigt an ihrem Protagonisten Herrn Schmidt exemplarisch auf was das plötzliche Bewusstsein über das Vergehen der Zeit mit uns Menschen macht. Gestern noch waren wir jung und heute sind es nicht mal mehr unsere Kinder. Herrn Schmidt, der bis zu Barbaras Krankheit in den Tag hinein gelebt zu haben scheint, trifft diese Erkenntnis wie ein Schlag. Was soll er nun anfangen mit den Resten seines alten Lebens? Wie soll er umgehen mit der bruchstückhaften Gegenwart? Und noch dazu mit der verschwiegenen Familientragödie, die erst im letzten Drittel des Buches ans Licht kommt?

    Das offene Ende ist mir persönlich etwas zu abrupt, lässt viele Fragen offen, die ich noch an den Roman gehabt hätte. Leider erfahren wir nicht, unter welcher Krankheit Barbara eigentlich leidet. Ich hätte Herrn Schmidt und Barbara gerne noch eine Weile weiter begleitet. Bronsky wägt ihre LeserInnen bis zum Ende in der trügerischen Sicherheit sie würden auf ein tragikomisches versöhnliches Ende zusteuern, nur um sie dann ohne Vorwarnung an der Autobahnraststätte auszusetzen. Das ist mein Hauptkritikpunkt an diesem schönen, traurigkomischen Roman, der ein Gefühl der Unvollständigkeit zurücklässt.

  • Ogar003

    Walter Schmidt braucht niemanden. Und er hat auch um nichts gefragt. Aber seine Frau Barbara steht vorerst nicht mehr auf. Gewaltig starkes Buch.

  • Astrid

    In Herr Schmidts Leben gibt es klare Regeln, klare Abläufe und ganz viele Routinen. Für die Einhaltung dieser ist vor allem seine Frau Barbara verantwortlich. Als eines morgens kein Kaffeegeruch in der Luft liegt, er nicht vom Gewusel im Erdgeschoss wachwird, ist er zunächst irritiert und danach besorgt. Barbara liegt auf dem Fußboden des Badezimmers, wieder bei Bewusstsein, aber alles in Ordnung ist es nicht. Und ehe sich Herr Schmidt versieht, ist Barbara zum ersten Mal wirklich krank und er steht vor ganz anderen Problemen: Wer kocht denn nun? Und wer räumt auf? Und wie geht das überhaupt?
    Eigentlich klingt „Barbara stirbt nicht“ wie ein kurzer, lustiger Roman, der zur Unterhaltung da ist und zwischendurch ist er das auch. Doch neben der kurzweiligen, humoristischen Art ist der Roman von Alina Bronsky doch sehr tiefgründig und melancholisch. Denn während Barbara sich „scheinbar“ erholt, ist Herr Schmidt, dessen Vorname konsequent nicht benutzt wird, überfordert und fast unsympathisch. Er ist eben der typische alte Herr, der von „Frauenkram“ spricht, stoische Ignoranz ausstrahlt und absolut nicht lebensfähig ohne seine Frau ist, dies aber nie zugeben würde. Doch am Ende beschreibt „Barbara stirbt nicht“ die Reise von Herrn Schmidt, wie er sich immer mehr mit den alltäglichen Dingen, aber auch dem Leben auseinandersetzt und die Komfortzone verlässt.
    Und während Barbara immer kränker wird, Herr Schmidt dies jedoch gekonnt ignoriert, wird der Roman immer zu seiner Geschichte, der Liebe zum Kochen und dem eigentlichen Familienleben. Stück für Stück wird die Familie Schmidt aufgerollt, ein bisschen mehr erzählt und Hintergründe werden dem Leser auf einmal klar.
    Doch hier ist auch der kleine Knackpunkt. Die ganzen Einzelgeschichten sind am Ende etwas zu konstruiert, so als wolle Bronsky noch mehr geben, noch mehr Punkte setzen und noch mehr Diversität zeigen. Feminismus, queere Einflüsse, Rassismus, Inklusion – am Ende wirkt es alles zu viel und zu gewollt. Hier hätte ein bisschen gespart und dafür die einzelnen Themen mehr Tiefe gegeben werden können.
    Und das Ende, das kam leider viel zu abrupt. War man noch ein paar Seiten vorher massiv überrascht von so vielen Wendungen, neuen Erzählsträngen, so überfahren war man über den plötzlichen, kurzen Cut, der mir persönlich viel zu wenig gegeben hat.

  • Daniela Anders

    Tiefschwarz, brüllend komisch, berührend - die Geschichte einer Ehe

    Walter Schmidt wacht eines Morgens auf und wundert sich über den fehlenden Duft frisch aufgebrühten Kaffees. Verwirrt steht er auf und findet seine Ehefrau Barbara im Bad liegend vor. Er hilft ihr zurück ins Bett, immer in dem Glauben, sie müsse sich nur ein bisschen ausruhen, dann wird sie wieder gesund. Doch Barbara steht nicht mehr auf. Das bedeutet: Herr Schmidt ist ab sofort für den Haushalt verantwortlich. Da er bisher noch nie auch nur einen kleinen Finger gerührt hat (schließlich war Barbara immer die Hausfrau und Mutter), wird er vor diverse Probleme gestellt wie z.B. wie kocht man Kaffee? Was bekommt der Hund zu fressen? Was und wie koch ich für uns? Genervt und grantig versucht er sein Bestes und stößt dabei mit so manchen seiner Mitmenschen zusammen. Eines Tages entdeckt er über Barbaras Account die Facebook-Seite von TV-Koch Medinski und gibt dort in den Kommentaren seine Fragen ein, wie man was kocht, welche Zutaten benötigt werden etc. Durch die vielen Antworten beginnt sein neuer Lebensabschnitt als Koch der Familie. Die ehemalige Bäckereiverkäuferin Luna, die er kurzerhand in Heike umbenennt (wer heißt denn bitte schon Luna?) stellt er als Pflegekraft und Haushaltshilfe ein. Er weigert sich strikt anzuerkennen, dass Barbara wohl nie mehr aufstehen wird und gerät so auch mit seinen Kindern immer wieder in Konflikt. Im Lauf dieser anstrengenden, aber auch erhellenden Zeit wird Herrn Schmidt so manches über sich, über Barbara, über die Familie, die Liebe und Freundschaften klar.

    Was für ein grantiger, unfreundlicher, egoistischer, unangenehmer, voreingenommener Macho! Herr Schmidt ist der Anti-Held par excellence! Wie die Autorin in ihrem sachlichen, trockenen und wunderbar fesselnden Schreibstil beschreibt, wie Herr Schmidt so völlig auf dem Schlauch steht, was Haushalt & Co betrifft, wie er voller Abneigung in den Austausch mit seinen Mitmenschen geht, weil sich das einfach mal nicht vermeiden lässt, wie er dann kleine Erfolge erlebt, was seine Kochkünste betrifft und wie er sein Familienleben bisher wahrgenommen hat und wie das im Gegensatz seine Kinder taten… hervorragend! Von Seite 1 an war ich so gebannt von diesem miesepetrigen, unhöflichen Ekel, der mir zwischendurch immer mal ans Herz wächst, nur um sich dann wieder ganz schnell daraus wegzuschießen durch eine weitere ungehobelte Bemerkung oder Tat. Immer schön im Wechsel. Sein Blick auf Barbara, der zunächst eher abwertend ist, dann aber immer wertschätzender und liebevoller wird, das komplizierte Verhältnis zu seinen Kindern, sein Fremdenfeindlichkeit, obwohl er und Barbara ursprünglich selbst aus einem anderen Land kommen und die Art und Weise, wie er merkt, dass er seine ewig gestrige Einstellung nicht aufrecht erhalten kann, weil ihm dazu schlicht seine Barbara fehlt – all das ist so gekonnt, auf den Punkt und brüllend komisch in Szene gesetzt, dass es eine Freude ist! Ich musste permanent laut lachen ob der Dreistigkeit dieses Kotzbrockens und des – pardon – furztrockenen Humors auf fast jeder Seite. Ich habe meinem Mann noch nie so viele Passagen aus einem Buch vorgelesen wie hier – mit dem Ergebnis, dass er Barbara jetzt auch lesen will.

    Das Ende des Buchs ist dann ein kleiner Hammer und sehr berührend. Leider hat das Buch nur 256 Seiten – ich hätte sehr gerne immer weitergelesen. Furchtbar witzig, wunderbar fesselnd mit einem Haupt-Charakter, den man hasst und liebt. Ganz großes Kino und volle Empfehlung! Lest das Buch – es ist so gut!