Die Poesie der Hörigkeit by Lea Singer


Die Poesie der Hörigkeit
Title : Die Poesie der Hörigkeit
Author :
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ISBN : 3455406254
ISBN-10 : 9783455406252
Language : German
Format Type : Hardcover
Number of Pages : 224
Publication : First published March 17, 2017

Mopsa Sternheim & Gottfried Benn: Die Obsession eines Lebens
Eine Kindheit mit van Goghs an den Wänden und einem Vater, der seiner Tochter sexuell nachstellt. Eine Jugend zwischen Krieg und Frieden, Dresden und St. Moritz, Bodensee und Berlin, Morphiumsucht und Liebesfluchten. Ein Exil in Paris, das ernüchtert und vereinsamt. Ein Widerstand unter Einsatz von Leib und Leben. Und über allem, unter allem die Lyrik von Gottfried Benn und die Besessenheit von diesem Mann. "Wo er doch so dick und scheußlich ist."
Ein Liebesdrama, in dem sich ein halbes Jahrhundert abbildet. Der lange Weg zu einer späten, erlösenden Entdeckung.


Die Poesie der Hörigkeit Reviews


  • Steffi

    Es handelt sich um eine biografische Skizze aus dem Leben Mopsa Sternheims. Eine Beschreibung, wie es viele andere gibt von Menschen dieser Zeit (1910-1940er Jahre) und dieses Milieus. Berühmte Kinder noch berühmterer Eltern, die auf den ersten Blick beneidenswert sind aufgrund des Künstlermilieus, dem sie entstammen, den aufregenden Bekanntschaften, der Freiheiten und Möglichkeiten - und die doch todunglücklich sind, selbstzerstörerisch, drogenabhängig und beziehungsunfähig.

    Zu den Unglücklichen in Mopsas Generation gehören auch ihre Bekannten
    Klaus und
    Erika Mann, Pamela Wedekind, auch
    Annemarie Schwarzenbach (die mir kürzlich in
    Stürmische Jahre: Die Manns, die Riesers, die Schwarzenbachs begegnete und die Art des Geschichtenerzählens bei Hasler ist der bei Singer nicht ganz unähnlich).

    Im Mittelpunkt steht hier aber eine Art amour fou zwischen Mopsa und
    Gottfried Benn. Mopsas Kindheit und Jugend ist geprägt von den Ehekrisen ihrer Eltern
    Carl und
    Thea Sternheim, Selbstmordversuchen der Mutter, Annäherungsversuchen des Vaters… Und bei einem Besuch Benns im Elternhaus verliebt sie sich bereits als 12-Jährige in ihn.

    Als junge Erwachsene lebt sie in den 20er Jahren in Berlin und stellt dem Dichter und Arzt für Geschlechtskrankheiten, Kenner jeden großstädtischen Elends, Gottfried Benn nach. Diese Szenen lesen sich vermutlich besonders spannend für in Berlin Lebende. Benns Praxis und Wohnungen werden genannt und machen Lust auf eine ganz eigene Stadtbesichtigung auf seinen Spuren. (Falsch ist aber, dass man – wie hier mehrfach behauptet - vom Belle Alliance Platz (heute Mehringplatz) bis zur Praxis Benns in der Belle Alliance-Straße 12 (heute Mehringdamm) blicken kann oder konnte und schon gar nicht hätte man jemanden im Fenster auf diese Entfernung erkennen können / Mehr zum Thema Benn in Berlin:
    https://www.kreuzberger-chronik.de/ch...)

    Die Morbidität der zitierten Benn-Gedichte spiegelt sich beispielsweise in der Beschreibung eines
    Teratoms, das Mopsi entfernt wird. Immer wieder geht es auch um Bilder: Die van Goghs in der belgischen Wohnung der Eltern, die Grosz-Lithographie in Benns Praxis. Eine bildreiche Sprache im Positiven wie im Negativen.

    Beschrieben wird immer wieder ein Beziehungskarussel, manchmal glaubt man, hier treibe es jeder mit jedem (und heiratet die, mit denen man es nicht treibt). Glücklich wird damit kaum jemand. Oder um es mit einem Zeitgenossen Benns zu sagen: Schenkst dich hin. Mit Haut und Haaren./Magst nicht bleiben, wer du bist. / Liebe treibt die Welt zu Paaren. / Wirst getrieben. Musst erfahren, / dass es nicht die Liebe ist …

    Dass ausgerechnet Mopsas Mutter mit ihr um die Gunst Benns im Wettbewerb steht (wie vormals bei Mopsas Vater?), macht es nicht besser. Und manchmal hat man den Eindruck, es ginge hier weniger um diese amour fou, sondern in erster Linie um eine völlig verkorkste Mutter-Tochter-Beziehung.

    Nach und nach überlagert die übergeordnete Geschichte die Einzelschicksale. Auf die gar nicht so Goldenen Zwanziger Jahre folgen die braunen Dreißiger. Manche füllen die Leere in sich mit Ideologien, andere mit Drogen und Widerstand. Auf welche Seite sich Benn stellt wissen wir. Mopsa arbeitet in Paris mit am Braunbuch über den Reichstagbrand und überlebt später das KZ Ravensbrück.

    Was alles überdauert? Die unerfüllbare Sehnsucht nach Geborgenheit.


    Der Roman macht Lust (trotz allem) Benn zu lesen, vor allem seine Gedichte. Aber auch über ihn zu lesen, über seine Beziehung zu Else-Lasker Schüler (
    Gottfried Benn Und Else Lasker Schüler: Giselheer Und Prinz Jussuf), sein Involviertsein in die Hinrichtung
    Edith Cavells, sein Leben in Berlin (schade, dass
    Michael Bienert noch nichts vorgelegt hat). Dabei will ich Mopsa nicht unterschlagen, ebenso wenig wie die vielen anderen Frauen, die im Roman eine Rolle spielen. Gerade über sie habe ich hier einiges erfahren.

  • Claudia

    Generell habe ich meine Schwierigkeiten mit historischen bzw. biographischen Texten, die in Romanform daher kommen.
    Spannend ist aber das Leben der Thea Sternheim und ihrer Tochter Mopsa allemal.
    Sehr berührend und intensiv.